In den Jahren 2000 und 2009 hatte ich das Gebiet der Westsahara mit jeweils einem Kleinlaster, zum Wohnmobil notdürftig umgebaut, durchquert. Wo es uns gefiel parkten wir und blieben dort über Nacht. Die Reisen damals führten nach Mauretanien, Senegal und weiteren westafrikanischen Staaten. Die Westsahara war eine große Transitstrecke in der Wüste. Dieses mal wollte ich den Weg radeln und die abwechslungsreiche Landschaft auf dem langsamen Weg intensiv erfahren.
Von Mirleft fuhr ich nach Sidi Ifni, dann über einen kleinen Gebirgszug nach Guelmim, dem sogenannten „Tor zur Sahara“. Nach der Überquerung der Berge, eine Etappe von knapp 60 Kilometern, fährt man auf einer großen, kargen Ebene auf die Stadt zu und man spürt, dass man sich an der Schwelle zur Sahara befindet. Von der ehemaligen Karawanenstadt aus ging es weiter zu der 130 Kilometer entfernten Stadt Tan Tan. Ich schaffte diese Entfernung in dem vorwiegend flachen Gelände und dem Rückenwind, der mich die ganzen Tage viele Kilometer nach Süden schob, an einem Tag. Weiter ging es in mehreren Etappen auf der Nationalstrasse N1 durch Tarfaya, Layoune und Boujdour bis nach Dakhla, die südlichste größere Stadt Marokkos. Eine Strecke von knapp tausend Kilometern. Kurz hinter Tan Tan traf ich noch zwei weitere Radler, eine deutsche, die schon zwei Fahrradweltreisen bewältigt hat und einen Herrn aus Italien, der auch schon einige Radreisen gemacht hat. Beide sind gut ausgerüstet und radreiseerfahren. Wir beschlossen die Tour nach Dakhla zusammen zu absolvieren. Die Nächte verbrachten wir in unseren Zelten, Verpflegung erhielten wir in den Städten oder an den Tankstellen, die sich in manchmal großen Abständen an der N1 befinden.
Kurz vor Layoune errreicht man das Gebiet der ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara. Über den Status dieses riesigen Wüstenterritoriums, es grenzt im Süden an Mauretanien und im Osten an Algerien, wird bis in die Gegenwart gestritten. Zur Erklärung hier grob einiges zur Geschichte.
Bis heute wurde das von der UN beschlossene Referendum nicht durchgeführt. Marokko betrachtet das gesamte Territorium der Westsahara als sein Staatsgebiet.
Dies ist eine kurze und sicherlich nicht vollständige Liste der jüngeren Geschichte der Westsahara, die dem Leser einen grober Überblick vermitteln soll. Ein in der Öffentlichkeit inzwischen fast vergessener Konflikt. Kaum ein Reisender in diesem Gebiet, weder meine Radlergefährten noch andere Touristen in Dakhla -ein Hotspot für Kitesurfer- waren sich der besonderen Situation in diesem Gebiet bewusst, was mich verwunderte. Wir wurden von UN-Fahrzeugen überholt, Konvois von Einsatzwagen der Gendarmerie kamen uns entgegen, warfen aber bei den Gefährten keine Fragen auf, obwohl die noch immer angespannte Situation in der Westsahara auch für unsere Radreise Auswirkungen hatte. Dazu gehörten regelmäßige gründliche Passkontrollen. Das Zelten in „freier Wildbahn“, sonst in Marokko selten ein Problem, war unmöglich. Auf Anordnung der Sicherheitsbehörden zelteten wir, wenn es keine Alternativen gab, bei Polizei- oder Militärposten, allerdings in landschaftlich schönen Gegenden und nur zu unserer Sicherheit, wie man uns sagte. Die Beamten waren immer freundlich, wussten aber immer genau auf welchen Streckenabschnitten wir uns befanden und erwarteten uns um uns den nächsten Zeltplatz zuzuweisen. In den Städten campierten wir auf den jeweiligen Campingplätzen. Vermutlich wurden wir lückenlos überwacht, aber ich empfand diese Maßnahmen nicht als starke Einschränkung, denn einerseits hatte ich sie erwartet, anderseits lies ich mir den vom Soldaten gekochten Tee beim Sonnenuntergang an der Steilküste schmecken.
Nach drei Tagen Aufenthalt in Dakhla brachte mich eine vierzehn stündige Busfahrt durch die Nacht wieder nach Guelmim und das Abenteuer Westsahara war für mich beendet. Ich wäre noch gern weiter nach Süden geradelt, bis Senegal oder Burkina Faso vielleicht, aber aus terminlichen Gründen ist es in diesem Jahr nicht möglich. Gern fahre ich die Strecke noch einmal und dann weiter. Vielleicht im nächsten Jahr inchàallah