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Mit dem Wind in die Westsahara

Februar 3, 2024 - Lesezeit: 6 Minuten

Wir kommen äußerst schwer voran. Mit 8 km/h vielleicht. Schlotte, hinter mir fahrend, hält sich tapfer, muss aber immer wieder den Windschatten abreißen lassen, wenn wir von einem Fahrzeug überholt werden. Mies wird es, wenn ein Sattelschlepper mit 100 km/h an uns vorbei rauscht. Erst gibt es einen heftigen Ruck nach rechts in Richtung des unbefestigten Straßenrandes, dann kommt der Sog der Wirbelschleppe, der uns zum Fahrzeug hinzieht. Den Lenker gerade zu halten ist nicht möglich. Notfalls machen wir Vollbremsungen und balancieren, um von den Stößen nicht umgeworfen zu werden. Ich hatte schon geahnt, was auf uns zukommen würde, als ich sah, dass die Straße eine 90° Linkskurve machen und die neue Richtung für etwa 6 – 7 km beibehalten würde. Wie auch am Vortag radeln wir diese Etappe in der Wüste bei ziemlich starkem, kraftraubendem Seitenwind, der Dank der Änderung der Fahrtrichtung nun von vorn bläst und Sand und Staub mit sich führt.

Acht Tagesetappen vorher waren wir in Guelmim zu unserer ersten Sahara-Etappe kurz vor Sonnenaufgang gestartet. Es war, wie jeden Morgen, noch recht kühl zu dieser Uhrzeit, was sich aber, wenn die Sonne dann höher steht, schnell ändert. Die 130 km zur Stadt Tan-Tan schafften wir trotz zwei längeren und einigen kürzeren Pausen noch vor Sonnenuntergang. Die nächste Etappe 100 km nach Akhfenir, waren aufgrund des günstigen Rückenwindes recht leicht. Ein wenig hinderlich waren die umfangreichen Polizeikontrollen vor und später im Ort. Wir hatten die Auflage, uns noch vor der Suche einer Unterkunft bei der Gendarmerie zu melden. Dort wurden wir neben der üblichen Passkontrolle zum Ziel und Zweck unserer Reise befragt. Nachdem wir ein kleines Hotel gefunden hatten, wurden wir nochmals bei den Gendarmen vorstellig, um sie über unser Hotel und die Dauer unseres Aufenthaltes zu informieren. Die Polizisten (oder vielleicht doch Militär) waren höflich, aber sehr bestimmend. Im Vergleich zu den beiden bisherigen Fahrradreisen, die ich 2016 und 2018 in diesem Gebiet unternommen hatte, erschien mir die Stimmung jetzt angespannter. Das liegt vermutlich daran, dass sich die politische Situation hier in der Westsahara in den letzten zwei Jahren verschärft hat.

Die nächste Etappe, ca. 100 km nach Tarfaya  gab uns dann einen Vorgeschmack, was es heißt, bei starkem Seitenwind zu radeln. Die ersten 40 km waren noch leicht und führten durch eine Landschaft, die durch die sanften Rundungen von Dünenketten geprägt ist. Eher ein seltener Anblick in der meistens aus Geröll und Felsen bestehenden Westsahara. Dann zogen Wolken auf, der Wind wurde stärker und blies für uns aus einer ungünstigen Richtung. Bei den letzten 20 km, wir konnten es kaum glauben, setzten heftige Regenschauer ein, die fast waagerecht von der Seite in unsere Gesichter prasselten. Dagegen war die am Tag darauf folgende Etappe mit scharfem Rückenwind nach Laayoune ein wahrer Genuss. Wir hatten das Gefühl über den Asphalt zu fliegen. Wenn man den scharfen, kühlen Rückenwind aufgrund der Geschwindigkeit, die man fährt, nicht mehr spürt, wird es allerdings auch recht warm und es erhöht sich der Bedarf an Trinkwasser. Beim Erreichen der Stadt gab es wieder ausgiebige Passkontrollen, die inzwischen für uns zur Gewohnheit wurden. Ohne günstigen Wind hätten wir die nächsten 190 km nach Boujdour nicht an einem Tag geschafft. Früher als geplant, wir wollten in Boujdour zwei Tage Pause machen, brachen wir allerdings wegen der bevorstehenden Windverhältnisse schon nach einem Tag wieder auf. So hatten wir für eine 140 km Tagesetappe noch halbwegs günstigen Wind, der für die nächsten Etappen nach Dakhla nun von Osten her wehte und unser Vorankommen deutlich schwerer machte.

Die Unterkünfte, die uns auf diesen fast 1.000 km durch die Wüste zur Verfügung standen, waren meist kostengünstig und oft den Kosten entsprechender Qualität. Ebenso waren die sanitären Verhältnisse, die manchmal den abenteuerlichen Höhepunkt des Tages ausmachten. Ich kannte das nun schon, Schlotte trug es mit Fassung und praktischer Gewitztheit. Es gab auch Situationen, in denen wir die zur Verfügung gestellte Bettwäsche gegen unsere Schlafsäcke austauschten.

Es sind noch knapp 60 km nach Dakhla. Der starke Gegenwind tost uns um die Ohren. Im Moment glauben wir wohl beide nicht, dass wir da heute noch ankommen werden. In ca. 3 km macht die Straße eine Kurve nach rechts. Dann sollte es wieder ein wenig leichter vorangehen. Dort machen wir dann eine kurze Pause. Die Fahrräder an eine Leitplanke gelehnt, weil der Wind sie sonst umwirft. Ein paar Schluck Wasser, eine Banane, ein paar Datteln und dann weiter. Wir fahren nun seitlich versetzt, Schlotte in meinem Windschatten. Unterbrechungen dieser Formation gibt es bei überholenden LKW‘s. Noch eine kurze Trinkpause. Wir sind sehr wortkarg, um so lauter tost der Wind. Noch 12 km zum Abzweig zur Lagune, auf deren Südspitze sich nach weiteren ca. 35 km, die Stadt Dakhla – unser Ziel – befindet. An dieser Kreuzung dann die obligatorische Kontrolle, dahinter ein kleiner Laden an einer Tankstelle. Vor und im Laden ein Gewusel von Afrikanern von vermutlich unterschiedlichen Nationalitäten. Ich vermute, sie warten hier auf einen Bus oder ein Taxi, das sie an die Grenze von Mauretanien bringt. Einige steigen in klapprige, überladene Autos. Mit unseren Fahrrädern sind wir Exoten. Wir kaufen auch ein. Ein Liter kalte Brause wird in 5 Minuten weggeputzt. Die Kreuzung ist der Silberstreif am Horizont. Wir kommen heute an in Dakhla, na klar. Die Stimmung hebt sich wieder. Nun kommen ein paar Kilometer mit Rückenwind bevor es dann wieder auf der Landzunge von der Seite her wehen wird. Zur Linken das blaue Wasser der Lagune, der Sand ist hier fast weiß, der Himmel blau. Wunderschön. Diese Ankunft versöhnt uns mit den Strapazen. Die Aussicht, uns hier wieder zu erholen, beflügelt uns für die restlichen Kilometer. Und irgendwo soll es ja auch in der Stadt einen kleinen Laden geben, in dem wir zu einem astronomischen Preis eine Dose kaltes Bier erstehen können. Wir werden ihn finden!

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